Der Islam wird auf Arabisch als „Deen“ bezeichnet, was so viel bedeutet wie „Lebensweg“. Er ist nicht nur eine gewöhnliche Religion, sondern eine immer vorhandene Richtschnur im Leben, die Auswirkungen auf jede alltägliche Handlung hat. Für das Praktizieren des Islams gibt es keinen Urlaub, es fällt niemals aus. Die gottesdienstlichen Handlungen, die Ibadat, werden nicht nur an besonderen Tagen verrichtet, sondern sind für den Muslim Teil seines Alltags. Jeden Tag drückt er durch seine Handlungen, seine Worte und seine Gedanken den Islam aus. Daher stellt dieser Artikel zehn gute Angewohnheiten vor, die einem neu praktizierenden Muslim dabei helfen sollen, den Islam in seinen Alltag zu integrieren und sich islamische Eigenschaften anzueignen.
1. Das tägliche Beschäftigen mit dem Koran
Der Muslim sollte jeden Tag einen Teil seiner Zeit dem Koran widmen. Versteht man kein oder nur wenig Arabisch, so kann man die Übersetzung des Korans in eine andere Sprache lesen. Dies ist für das Verständnis wichtig. Aus demselben Grund ist es auch von Vorteil, parallel eine Erläuterung der Verse, den sogenannten Tafsir, zu lesen. Dabei zählt nicht die Quantität des Gelesenen, sondern die Qualität. Der Muslim wird von Allah dazu angehalten, aufmerksam zu lesen und über die Verse nachzusinnen. So sagt Er über den Koran:
„Hierin ist wahrlich eine Ermahnung für den, der ein Herz hat oder der Gehör gibt und aufmerksam ist.“ [Koran 50:37]
Auch das Anhören einer Koranrezitation ist also eine gute Tat, besonders auf Arabisch. Dies, weil der Koran so offenbart wurde und somit die arabische Version das unverfälschte Wort Allahs ist. Die Übersetzungen Seines Wortes sind jedoch von Menschen gemacht und können kleine Fehler enthalten. Außerdem sind der poetische und sprachliche Effekt des Korans nur im Original erlebbar. Auch wenn man wenig bis gar nichts in der Rezitation verstehen kann, so mehrt das Anhören des Korans durch seine Schönheit dennoch die Rechtleitung. Um eine Gewohnheit daraus zu machen, ist es empfehlenswert, etwa im Auto die Nasheeds oder die Hörspiele gegen den Koran auszutauschen. Nach einiger Zeit wird der neue Muslim die Ruhe spüren, die er durch den Koran in seinem Leben bekommt. Ein positiver Nebeneffekt ist es, dass man durch das häufige Hören vertrauter mit der arabischen Sprache wird. Es kann auch dabei helfen, kürzere Suren auswendig zu lernen.
2. Das tägliche Gebet
Ein Muslim sollte strikt darauf achten, seine Gebete jeden Tag zu den vorgeschriebenen Zeiten zu verrichten. Dafür muss jeder neu Praktizierende zunächst das Gebet erlernen und es immer weiter verbessern. Dies kann eine Zeit lang dauern, doch solange man sich verbessert, kommt man Allah immer näher. Um sich keine Fehler anzueignen, bietet es sich an, bei Freunden und anderen Muslimen vorzubeten. So werden Makel im Gebet schnell erkannt und man erhält Tipps, was man an Neuem einbauen kann.
Allgemein ist es ratsam, in der Anfangszeit jeden Tag etwas Neues im Gebet zu lernen, etwa ein spezielles Bittgebet. Dadurch, dass das Gebet fünfmal täglich verrichtet wird, dauert es in der Regel nicht lange, bis man ein kurzes Bittgebet auswendig kann. Doch auch wenn es länger dauert, ist das einzige Wichtige, dass man jeden Tag Fortschritte macht.
3. Das Gottgedenken (Dhikr)
Außer dem rituellen Gebet existieren auch verschiedene kurze Aussprüche zum Gedenken an Allah, die sogenannten Adhkar (Singular: Dhikr). Diese können in beinahe jeder Situation gesprochen werden. Einige bekannte und kurze Adhkar sind die Folgenden:
SubhanAllah (stellt eine Lobpreisung Allahs dar)
Alhamdulillah („Aller Dank gebührt Allah“)
Allahu akbar („Allah ist größer“)
Laa ilaha illa Allah („Es gibt keine anbetungswürdige Gottheit, außer Allah“)
Es existieren noch weitaus mehr dieser Adhkar, wobei manche länger und andere kürzer sind. Diese Lobpreisungen sollten nach und nach auswendig gelernt und in den Alltag eingebaut werden. So sagt man etwa nach dem rituellen Gebet jeweils 33 Mal SubhanAllah, Alhamdulillah und Allahu Akbar. Um bei der Anzahl nicht durcheinander zu kommen, zählt man sie an den Fingern ab. Doch auch außerhalb des Gebets kann man seine Zunge mit dem Gedenken an Allah beschäftigen. So sagt der Erhabene:
„Gedenkt Meiner (durch das Lobpreisen), so gedenke Ich euerer. Seid Mir dankbar (für Meine unzähligen Gnadenerweise an euch) und seid Mir gegenüber nicht undankbar.“ [Koran 2:152]
Das ständige Lobpreisen und Danken Allahs hat eine positive Auswirkung auf das eigene Leben. So sagt Allah, dass Er demjenigen gedenken wird, der Ihm gedenkt. Außerdem wird man durch den Fokus auf die Dinge, für die man Allah dankbar ist, zufriedener im Leben.
4. Das Geben von Spenden (Sadaqa)
Eine großartige Tat im Islam ist das Geben von Almosen, die auch Sadaqa genannt werden. Anders als bei der Pflichtabgabe (Zakah) ist die Art und die Höhe dieser Almosen nicht vorgeschrieben, doch der Muslim erhält einen gewaltigen Lohn dafür. Dabei muss es sich nicht zwingend um materielle Spenden handeln. Schon das Schenken eines Lächelns wird im Islam als Almosen gewertet. So sagte der Prophet, Friede sei mit ihm: „Jeder Muslim muss Almosen geben.“ Könne ein Muslim das nicht, so solle er mit seinen Händen arbeiten und von seinem Lohn Almosen geben. Kann er auch das nicht, so sollte er den Bedürftigen helfen, die um Hilfe bitten. Und wenn er auch das nicht kann, so genügt es, dass er sich von schlechten Taten fernhält und gleichzeitig gute Taten verrichtet [Bukhari]. Und in einer anderen Überlieferung sagte der Prophet, Friede sei mit ihm: „Jede gütige Handlung ist eine Form von Almosen“ [Muslim].
Almosen können in den Alltag integriert werden, indem man versucht, jeden Tag mindestens einer Person einen Gefallen zu tun. Man sollte keine Gelegenheit auslassen, Gutes zu tun, wenn sich eine Möglichkeit bietet. Beispiele für solche Möglichkeiten wären etwa, den Eltern im Haushalt zu helfen, für sie einzukaufen, einem Freund beim Umzug zu helfen, an die Moschee zu spenden und vieles mehr.
5. Weniger Zeit mit dem Smartphone
Alle in diesem Artikel aufgezählten Gewohnheiten sind an sich nicht schwer auszuführen. Oftmals mangelt es jedoch an Zeit, sie alle umzusetzen. Dabei ist meist genügend Zeit vorhanden, man nutzt sie nur nicht in der richtigen Art und Weise. Eine weitere wichtige Angewohnheit sollte es deshalb sein, auf unnötige Zeitfresser wie die sozialen Medien oder Ähnliches weitestgehend zu verzichten. Das Problem an Smartphones und ganz speziell den sozialen Medien ist es, dass sie schon dafür konzipiert wurden, abhängig zu machen. Sie können den Nutzer den gesamten Tag beschäftigen, ohne, dass es ihm langweilig wird. Doch Muslime wissen, dass ihre Zeit gesegnet ist und sie versuchen sollten, sie produktiv zu nutzen. Fängt man seinen Tag jedoch schon im Bett mit dem Handy an, so fehlt dem Tag der Segen. Diesen erhält man aber beispielsweise dadurch, dass man nach dem Aufwachen direkt Allahs gedenkt. Reduziert man seine Zeit am Smartphone, so wird man überrascht sein, wie viel Zeit einem plötzlich zur freien Verfügung steht.
6. Körperliche Gesundheit
Eine weitere gute Angewohnheit, die man sich aneignen sollte, ist es, auf die körperliche Gesundheit zu achten. Der Islam ist eine ganzheitliche Religion, die von den Muslimen fordert, sich ganzheitlich zu entwickeln. So sollten sie nicht nur auf das spirituelle Wohlergehen achten, sondern auch ihre mentale und körperliche Gesundheit nicht vernachlässigen. Der Prophet, Friede sei mit ihm, sagte sinngemäß: „Dein Körper hat Rechte gegenüber dir“ [Bukhari]. Zur Rücksichtnahme gegenüber dem eigenen Körper zählt es, ihm nachts genug Schlaf zu geben und sich gesund zu ernähren. Regelmäßige Bewegung und Sport machen den Menschen agiler, aktiver und auch fitter. Dies wirkt sich sowohl auf den Gemütszustand als auch auf die Qualität der Anbetung Allahs positiv aus.
Alle Sportarten, die dem Körper nicht schaden und die nichts im Islam Verbotenes beinhalten, können ausgeübt werden. Auch der Prophet, Friede sei mit ihm, empfahl seinen Gefährten sportliche Aktivitäten. Besonders hob er dabei das Reiten und das Bogenschießen hervor [Ahmad]. Auch das Schwimmen hatte bei den frühen Muslimen ein hohes Ansehen [Tabarani].
7. Muslimische Kontakte pflegen
Neben dem Fokus auf das körperliche Wohlergehen sollte auch auf die mentale Gesundheit geachtet werden. Dazu ist es wichtig, Freundschaften zu pflegen. Besonders Kontakte innerhalb der muslimischen Gemeinde sind wichtig. Diese Gesellschaft bringt sowohl Vergnügen als auch Nutzen in Bezug auf die Gottesdienste, denn muslimische Freunde helfen sich gegenseitig zu mehr Gottesfurcht. So sind die besten Freunde diejenigen, die einen an Allah und an die Pflichten des Islams erinnern. Findet man solche Freunde, so sollte man Allah für sie dankbar sein und diese Freundschaften pflegen, indem man sich regelmäßig nach ihnen erkundigt, ihnen bei Problemen hilft und Zeit miteinander verbringt.
8. Dem besten Vorbild folgen
In jeder noch so alltäglichen Angelegenheit haben die Muslime ein Vorbild, dem sie folgen. Dies ist der Prophet Muhammad, Friede sei mit ihm, über den Allah sagte:
„Ihr habt ja im Gesandten Allahs ein schönes Vorbild“ [Koran 33:21]
Für einen neuen Muslim ist es daher wichtig, sich über den Propheten, Friede sei mit ihm, bestmöglich zu informieren. Es gibt keine Biografie, die besser dokumentiert wurde als seine. Sowohl sein Aussehen, als auch seine Redensart, sein Umgang mit seinen Freunden und anderen Zeitgenossen und die Art, wie er seine Zeit verbracht hat, alles kann man aus authentischen Überlieferungen in Erfahrung bringen. Deshalb ist das tägliche Lesen einer Lektüre über den Propheten eine weitere gute Angewohnheit für den neuen Muslim. Dafür bietet sich etwa die Biografie: „Muhammad- Die faszinierende Lebensgeschichte des letzten Propheten“ an.
9. Verbesserung des Benehmens und der Moralvorstellungen
Aus der Zeit vor dem Praktizieren des Islams besitzt man häufig noch alte Moralvorstellungen und Tugenden, die für einen Muslim unpassend sein können. Dies ist normal und kann sich nicht von einem Tag auf den anderen ändern. Es gehört jedoch zu den guten Angewohnheiten, jeden Tag zu versuchen, diese alten Muster bewusst abzulegen. Durch das Informieren über die Sitten und die Verhaltensweisen des Propheten, Friede sei mit ihm, erfährt man, welches Verhalten erstrebenswert ist. Es gilt, ihm, seinen Gefährten und den anderen Propheten vor ihm, nachzueifern. Allah erwartet von den Muslimen, dass sie sich auf die bestmögliche Art und Weise benehmen. Dies ist jedoch ein lebenslanger Prozess, der ständige Selbstreflexion voraussetzt. Auch wenn man einmal darin versagt, sollte man nicht verzagen, sondern Allah um Verzeihung bitten und versuchen, sich in Zukunft zu bessern.
10. Das rechte Maß halten
Bei all den genannten, guten Angewohnheiten ist es zuletzt auch wichtig zu erwähnen, dass man vermeiden sollte, ins Extreme zu geraten. Ein gesundes Maß ist bei allen Angelegenheiten der Religion wichtig. Gerade zu Beginn des Praktizierens ist man meist in einer Phase voller Motivation, was einen jedoch dazu verleiten kann, die Dinge zu überstürzen. Nicht selten fangen neue Muslime direkt an, ständig zu fasten, ihren Kleidungsstil komplett zu ändern und alte Kontakte mit Nichtmuslimen völlig abzubrechen. Dieses Niveau ist jedoch auf Dauer schwer zu halten. Schafft man es irgendwann nicht mehr, all dies umzusetzen, führt das häufig zu Demotivation und man gibt komplett auf. Daher warnte der Prophet, Friede sei mit ihm, vor dieser Art der Übertreibung. Er rief die Muslime dazu auf, nicht zu streng mit sich selbst zu sein, weil einen die Religion sonst überwältige. Ein Beispiel dafür seien die Mönche in den Klöstern, die ein asketisches Leben führen und sich selbst Dinge als verboten erklärten, die Allah ihnen eigentlich erlaubt hat [Abu Dawud].
Es ist besser, mit den Grundlagen zu beginnen und sich langsam, aber stetig in der Religion zu steigern. So ist es einem möglich, das bereits Erlernte dauerhaft umzusetzen und man bleibt motiviert. Man fastet nicht jeden Tag, sondern nur donnerstags und montags. Man besucht die Moschee regelmäßig, doch man geht auch zur Arbeit und unternimmt andere Dinge. Statt das gesamte Geld an andere zu spenden, achtet man in erster Linie darauf, dass die eigene Familie ausreichend versorgt ist. Nicht alle weltlichen Dinge sind schlecht und sollten vermieden werden. Viele haben mit der richtigen Absicht dahinter auch einen islamischen Aspekt. So ist das Lernen für die Schule Wissenserwerb auf dem Weg Allahs, wenn man beabsichtigt, mit seiner Bildung später einen Beruf auszuüben und damit anderen zu helfen. Der Umgang mit Nichtmuslimen, speziell, wenn man ihnen gegenüber freundlich und barmherzig auftritt, ist eine Art der Präsentation des Islams und kann dazu führen, dass sich andere ebenfalls für diese Religion interessieren. Auch Ruhezeiten und Entspannung sind im Leben wichtig und sollten nicht vernachlässigt werden.
Fazit
Erwünschte oder verpflichtende Angewohnheiten im Islam betreffen alle Aspekte des Lebens. Die tägliche Routine eines Muslims sollte sowohl der spirituellen, als auch der mentalen und körperlichen Gesundheit dienen. So sollten Elemente wie das Gebet und das Spenden mit anderen, wie der Kontaktpflege und ausreichend Bewegung, verbunden werden. Dabei sollte man Extreme vermeiden und sich nur so viel vornehmen, wie man auch schaffen kann. Nur so hat der Muslim genügend Kraft, diese Routine auf längere Sicht beizubehalten. Denn der Prophet, Friede sei mit ihm, sagte: „Die besten guten Taten sind diejenigen, die regelmäßig verrichtet werden, auch, wenn sie wenige sind“ [Ibn Majah].